Die Vorbereitungen für einen Wettkampf oder einen individuellen Rekordversuch dauern oft lange an. In dieser Zeit durchlebt der Athlet Höhen, Tiefen, Erfolgserlebnisse und Enttäuschungen, welche ihn in kleinen Schritten immer weiter bis zum Wettkampftag und damit auch dem Zeitpunkt des OTP (Official Top) weiterbringt. Dies ist ein magischer Moment, denn der ganze Aufwand der letzten Wochen und Monate wird nun innerhalb weniger Minuten auf die Probe gestellt.

Für Zweifel und negative Gedanken gibt es jetzt kein Platz mehr. Der Ablauf, dutzend Male im Training wiederholt und geübt, läuft jetzt automatisiert und fast schon mechanisch ab. Seit der Antike messen sich Sportler und Athleten untereinander in den unterschiedlichsten Disziplinen. Dem einen geht es um die Entwicklung und Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers und der mentalen Kapazität sowie der Herausforderung im Allgemeinen, wieder andere füttern gerne ihr Ego damit.

Die Emotionen bei einem Wettkampf übertreffen bei weitem jene des Trainings. Sich optimal vorzubereiten, fokussiert zu bleiben und trotzdem im Eifer des Gefechts die Ruhe zu bewahren, verlangt Selbstdisziplin sowie Aufopferung. Wichtig ist zudem bei brenzligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.

„Ich will, ich kann, ich werde!!“ Das ist die Attitude welche Valdy Bruderer beim Tauchen sowie auch im Alltag auslebt. Nicht zu vergessen ist, dass das Freitauchen vor allem ein Sport ist, bei welcher die mentale Verfassung eine essentielle Rolle spielt. Auch bei einer perfekten Vorbereitung kann eine psychische Instabilität den Erfolg kosten. Eigentlich, so könnte man fast sagen, geht es primär darum seine Ängste zu kontrollieren und sich nicht durch negative Gedanken ablenken zu lassen. Den Atem einfach über längere Zeit anzuhalten und dabei noch in die eiskalte Dunkelheit abzutauchen ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Auch die Selbstkontrolle zu bewahren während man der unberechenbaren Natur ausgesetzt ist, damit der Sauerstoff effizient eingeteilt werden kann, ist immer wieder eine neue Herausforderung.

Ganz auf sich alleine gestellt, tief unter der Wasseroberfläche und mit nur einem Atemzug in der Lunge wird einem plötzlich bewusst, wie mächtig und unberechenbar Mutternatur doch ist. Arroganz und Überheblichkeit haben hier auf jeden Fall keinen Platz und jeder kleinste Fehler könnte zu verehrenden Folgen führen.  „Dass JDMT Medical Services AG mit seinem Rettungsteam vor Ort war, gab mir die Gewährleistung, auch bei einem problematischen Ablauf des Rekordversuches die Sicherheit zu haben, dass alles gut gehen wird.“

60 min bis zu OT (official top)

„Ich liege auf der Yoga-Matte, meine Arme sind über dem Kopf durchgestreckt, ich atme langsam ein und wieder aus, höre die Geräusche meines Atems zu, während sich mein Brustkorb langsam rhythmisch auf und ab bewegt. Die ersten Kontraktionen stellen sich ein. Diese Übungen, absolviert vor dem Versuch, simulieren bereits einige tiefe Tauchgänge und bereiten den Körper und die Psyche optimal auf die bevorstehende Belastung vor.“

45min bis zum OT (official top)

„Ich ziehe meinen Anzug an. Auch dies ist fast schon ein Ritual. Alle Abläufe sind eingespielt. Ich bin jetzt voll fokussiert, visualisiere die bevorstehende Performance und bin in Gedanken bereits tief unter Wasser.“

30min bis zum OT (official top)

„Ich setze mich an den Uferrand, atme noch einige Male tief durch, setzt meine Maske auf, begebe mich ins Wasser und schwimme langsam zur Boje hinaus, welche das Safety-Team und die Kampfrichter zuvor aufgebaut haben. Die Tiefe ist auf 25m eingestellt. Diese dient dem «Warm-up dive». Einige Athleten schwören auf diesen sogenannten «Eintaucher». Er soll die CO2-Rezeptoren etwas abstumpfen, damit man unter Wasser weniger das Bedürfnis hat frühzeitig atmen zu wollen.“

15min bis zum OT (official top)

„Ich lege mich mit dem Rücken auf meine Floats (Schwimmnudeln) neben der Boje, welche mir Auftrieb und Stabilität im Wasser gehen und atme einige Minuten ruhig und konzentriert ein und aus. Dann tauche ich bereits ab. Mein erster Tauchgang dient dazu um zu sehen, ob das Equipment richtig sitzt, der Druckausgleich funktioniert und er hilft mir dabei mich auf die Kälte einzustellen. Ab bereits -15m herrscht im Zürichsee eine Temperatur weit unter 10 Grad und dies das ganze Jahr durch. An der Oberfläche beträgt die Temperatur knapp 20 Grad Celsius. Diese grossen Unterschiede gilt es genauestens zu berücksichtigen denn sie wirken sich extrem auf die Fähigkeit sich zu entspannen und den Druckausgleich aus.“

5min bis zum OT (official top)

„Im Hintergrund höre ich die Kamprichter, wie sie die Zeiten ansagen; «Threee Minutes to official top, two minutes”.. Ich atme langsam und stetig, durch ein paar Variationen in der Atmung kann ich noch etwas CO2 abatmen, was mir hilft den Atem Reiz noch etwas zu unterdrücken.“

«30 seconds!»..

„Ich leere meine Lungen zum letzten Male komplett und atme dann voll ein. Nach einigen zusätzlichen Packs drehe ich mich langsam nach unten. Ich mache den ersten Druckausgleich noch an der Oberfläche und tauche dann ab. Bei -15m höre ich den ersten Alarm meines Tauchcomputers. Langsam komme ich in die neutrale Zone. Ich bin nun austariert und nur noch 1-2 Armzüge / Beinschläge und mein Körper fängt langsam an zu fallen. Dies kennen wir als «free fall» und ist für die meisten unter uns Freitaucher die angenehmste Phase, wo keine körperliche Anstrengung mehr nötig ist. Man konzentriert sich ausschliesslich auf den Druckausgleich und eine entspannte Körperhaltung, damit man so wenig Widerstand wie möglich erzeugt und die Muskeln keinesfalls verkrampfen sollen.

Bei -25m höre ich einen weiteren Alarm. Das ist das Zeichen für mich zu «Chargen». Das heisst, ich hole Luft aus meiner Lung und speichere dies im Rachenraum, verschliesse die Glottis und nutze diese Luft zum Druckausgleich.“

-45m, ich erwache aus einem tranceähnlichen Zustand und schau kurz nach unten, wo ich bereits die Bottomplate mit den Tags erkennen kann. Hier unten ist es stockfinster, aber das Szenario ist durch Halogen-Taucherlampen die unten angebracht sind hell erleuchtet. Zudem habe ich 2 kleine Lampen an meinem Halsblei montiert, welche das Bojen-Seil auf ganzem Weg beleuchten, so dass ich eine gute Referenz betreffend Geschwindigkeit und Richtung habe.

-50m «touch down!» Ich erreiche die Bottom-Plate und ergreife sofort ein «Tag», welches ich als Beweis, dass ich es bis unten geschafft habe, den Richtern mit nach oben bringen muss.

Eine Kamera filmt mich dabei. Das Videomaterial dient später ebenfalls als Beweis. Ich mache eine Drehung vornüber, befestige den «Tag» an meinem Gürtel und mache mich zurück auf den langen Rückweg. Ich konzentriere mich auf meine Technik und versuche alle Bewegungen nicht zu hastig auszuführen um Sauerstoff zu sparen. Auf halbem Weg nach oben wird es wieder heller und ich kann bereits die ersten Sicherungstaucher erkennen welche mich begleiten und mich sicher nach oben eskortieren. Sollten mich meine Kräfte verlassen oder ereignet sich irgendein Zwischenfall, sind die Rettungstaucher und das Medical Team von JDMT jederzeit bereit einzuschreiten, um mich zu unterstützen und im Notfall auch zu retten.

-5m

Ich kann schon klar von unten die Boje erkennen und mache mich für das Auftauchen bereit. Im Kopf gehe ich nochmals das Protokoll durch, welches ich vor den Judges abzulegen habe. Korrektes Atmen, Maske absetzten, OK-Zeichen geben., weiter atmen und schon möchte der Kampfrichter meinen «Tag» sehen. Sie warten noch eine Weile bis ich endlich die erlösende Antwort höre: «white card»! Das war die Bestätigung, dass der Schweizer Rekordversuch gültig ist und sich die ganze Mühe der letzten Monate gelohnt hat. Danach wird erst im Wasser und anschliessend auch im Trockenen mit allen Safetys und Judges ausgiebig gefeiert.

Ich träume schon vom nächsten Abenteuer…“